Wo Schatten ist, da ist auch Licht

Wo Schatten ist, da ist auch Licht

Wie ich schon im letzten Newsletter geschrieben habe, neigen viele hochsensiblen Menschen dazu, ihre Schwächen ziemlich deutlich wahrzunehmen. Wenn du auch so gestrickt bist, interessiert dich vielleicht, dass der Schwäche, die du wahrnimmst, möglicherweise eine besondere Begabung zugrunde liegt. Es ist ein bisschen so, wie mit Licht und Schatten. Du siehst den Schatten, doch der entsteht nur dadurch, dass irgendwo eine Lichtquelle ist.

Ich möchte das an einem Beispiel noch deutlicher machen. Ich habe 3 Jahrzehnte geglaubt, ich könne mich nicht ausdrücken, sei sprachlich unbegabt. Wie das zustande kam? Häufig brauchte ich eine ganze Weile, um die wirklich passenden Worte zu finden. Musste herumsuchen, fand, die Worte drückten nicht das aus, was ich wirklich sagen wollte. Und dann war ich von Schnellrednern und Wortvirtuosen umgeben, denen das Sprechen und Schreiben so unendlich leicht fiel. Und auch in der Schule gab es nicht die Zeit, die ich gebraucht hätte, um genau das auszudrücken, was ich im Kopf hatte. Dort musste man quasi mit der Zunge denken.

Heute weiß ich, was es mit dieser scheinbaren Langsamkeit auf sich hat: Ich bin ein Bild-Struktur-Gefühls-Denker (das ist kein wissenschaftlicher Begriff ;-)) und kein Wortdenker. Das, was sich – eigentlich ständig – in meinem Kopf abspielt, ist extrem komplex. Das lässt sich nicht so einfach in Worte fassen und schon gar nicht schnell. Und wenn ich es tue, muss ich manchmal umformulieren oder noch suchen, bis es passt. Und wenn ich dann mit einem Wortdenker kommuniziere, kann es sein, dass der beim ersten etwas unsauberen Begriff einhakt, falsch versteht und sich gar nicht mehr die Mühe macht, wirklich zu begreifen, was ich sagen möchte. (Weil er sich nicht vorstellen kann, dass jemand nicht sofort die passenden Worte parat hat.) Das ist frustrierend. Aber inzwischen habe ich erkannt, dass nicht ein Unvermögen die Ursache für das Missverständnis ist, sondern ein wunderbares Talent. Seit ich das erkenne, kann ich viel besser die Zeit einfordern, die ich benötige, um rüberzubringen, was ich wirklich sagen möchte.

Wenn wir aufhören wollen, uns selbst niederzumachen und klein zu halten, ist es wichtig, die Sonnenseiten gegenüber dem Schatten zu entdecken.

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