
Wo liegt dein Expertentum?
Neulich kam irgendwo die Frage, welche Lügen man uns in der Kindheit erzählt hat. Auch, wenn ich es nicht als Lüge empfinde, weil mein Vater es selbst für die Wahrheit hielt, schoss mir sofort sein Satz durch den Kopf: „Du musst einen roten Faden im Lebenslauf haben, sonst bekommst du keinen Job.“ Nun, gegen diesen Leitgedanken, den er aufgrund eigener familiärer Erfahrungen geglaubt hat, habe ich vom ersten Moment an verstoßen. Mein Lebenslauf ist so etwas von strubbelig und geprägt von Brüchen und Neuanfängen.
Doch, wenn man genau hinschaut, findet sich ein roter Faden. Aber der ist erst in der Rückschau zu erkennen.
Ich habe mein Berufsleben mit der zweituntersten Einkommensstufe begonnen, mit einer Schneiderlehre. Nicht unbedingt die beste Grundvoraussetzung für Erfolg und Expertentum.
Neulich schoss mir ein Satz durch den Kopf:
„Ich bin eine durchs Leben geformte Expertin für differenziertes Hinschauen.“
Bäm! Cooler Satz. Und er stimmt!
Und so bin ich dazu geworden, dies ist also mein Lebenslauf:
Mein Leben lang war ich mit Zuschreibungen konfrontiert, die irgendwie nicht passten. Um nicht völlig in dem Gefühl von Minderwertigkeit zu ertrinken, war ich gezwungen, mich auf die Suche zu begeben.
💎 Psychologisches Grundwissen wurde mir bereits mit der Muttermilch eingeflößt und im Kindesalter verfeinert.
💎 Seit dem Zeitpunkt, an dem das bewusste Denken einsetzte (mit 11 Jahren), setze ich mich mit der Komplexität menschlichen Seins und Handelns auseinander. An meinen Lehrern und Mitschülern entwickelte ich die Fähigkeit, Menschen zu lesen.
💎 In der darauffolgenden handwerklichen Lehre standen die Themen Zuschreibungen, Urteile, Würde und Anderssein auf dem Lehrplan.
💎 Es folgten viele Jahre der beruflichen Praxiserprobung auf verschiedenen Gebieten begleitet vom Praxisfach Beziehung. Hier wurde vor allem das Ausmaß des zu Lernenden sichtbar!
💎 In meinen 40ern endlich vereinte sich mein bis dahin erworbener Lernschatz mit dem beruflichen Wirken als Coach. Welch eine Befreiung, endlich das zu tun, was mir immer schon im Blut lag!
💎 In diesen Jahren fand ich auch meinen Lehrmeister für die Oberstufe in Sachen Beziehungsgestaltung. Gemeinsames Wirken zu diesem Thema begann. Bis jetzt sind es 8 Jahre Intensiv-Studium und der Lernstoff ist gehaltvoll.
💎 Parallel lief der Kurs Selbst-Erkenntnis, der besonders in den letzten Jahren ordentlich Fahrt aufgenommen hat und der mich erkennen lässt, dass wir eigentlich alle das gleiche Lernziel haben, auf dem Weg aber unterschiedliche Aufgaben gestellt bekommen.
Wenn ich auf diese Sammlung an Fähigkeiten und Wissen schaue, kann ich den oben geschriebenen Satz ganz entspannt formulieren. Ja ich bin eine Expertin. Ich habe all die Etappen in der Tiefe erforscht und zu meiner Substanz gemacht. Coole Reise! 😎
Und damit stehe ich „dem Markt“ (was eigentlich bedeutet: den Menschen) zur Verfügung. Für die, die ihr Menschsein verfeinern wollen.
Mein Einsatzgebiet ist überall dort, wo das Gute und Wahre erforscht werden soll. In dir, deiner Firma, deiner Beziehung. Ich habe kein Interesse an Spielchen auf Kosten anderer (und auch nicht auf deine Kosten), denn ich weiß, dass unser gemeinsamer Nenner an tiefster Stelle immer die Liebe ist. Das ist der rote Faden in meinem Leben.
Bestimmt kommt dir die ein oder andere Passage meines Lebenslaufes bekannt vor. Kennst du zum Beispiel das Kleinreden deiner Fähigkeiten?
Es ist Zeit, dass wir damit aufhören. Wir alle, die schon ein paar Jahre auf der Erde wandeln, haben so viel Wissen und Erfahrung gesammelt, dass jeder an irgendeiner Stelle ein Experte oder eine Expertin ist. Lass uns erforschen, wo dein roter Faden im Leben lang läuft.
Bild: svklimkin by pixabay
Astrid
Hallo Barbara,
dein Text hat mich sehr berührt. Auch mein Lebenslauf ist geprägt von Brüchen. Und ich habe noch nicht das für mich Ideale gefunden.
Und momentan hab ich auch noch nicht den rechten Plan wie ich’s ändern könnte.
Astrid
Nachtrag:
Und oft blockiere ich mich selber wenn mir eine Chance vor die Nase geschubst wird. Dann nehme ich Rücksicht auf Kinder, Familie, den Hund, ergreife nicht die Chance um endlich was „Gutes, unabhängiges“ zu beginnen, um aus dem ewigen Hamsterrad herauszukommen. Obwohl ich im Vorfeld mir Dieses oder Jenes fest vorgenommen habe. jedesmal ärgere ich mich dann hinterher, und fühle mich als Versagerin und unendlich klein. Wie kann ich’s ändern? Pläne und Chancen ergreifen die mir wirklich guttuen und mein Leben verbessern würden. Wo und wie würde ich menschliche Unterstützung finden können, für „gute“ Ideen oder Pläne?
Lg Astrid
Barbara Grebe
Liebe Astrid,
schön, dass du dich berühren lässt!
Meistens gehen wir viel zu geradlinig und zielorientiert daran herauszufinden, was DAS Richtige ist. Eben nach Plan, wie du schreibst. Genau das funktioniert oft nicht. Es ist eher ein zartes Forschen und Innenspüren nötig, etwas, das wir oft überhören oder was wir uns abtrainiert haben.
Wenn ich deine Beschreibung lese, wie du suchst, wirkt das auf mich wie eine sehr vom Kopf gesteuerte Suche. Du nimmst dir etwas per Entscheid vor und bist dann ärgerlich, wenn du dem Plan nicht folgen kannst.
Was, wenn der Weg ganz anders ist? Wenn es ums Spüren geht, um das in dich hinein lauschen, ums Fühlen, darum, der Intuition mehr Raum zu schenken? Das ist ein Weg, der ganz andere Antennen braucht. Lernen, wieder ins Fühlen zu kommen. Und eine sehr differenzierte (freundliche) Sicht auf dein Leben, denn es gibt ja auch die Familie, die Kinder, den Hund. Die haben ja auch einen Platz in deinem Leben und du möchtest bestimmt einen Weg im Einklang mit ihnen finden und nicht im Gegeneinander, oder?
Lieben Gruß
Barbara