Wie deine Großeltern dich daran hindern glücklich zu sein und wie du das ändern kannst
Die Frage, wie Hochsensibilität entsteht, ob sie in den Genen liegt oder nachgeburtlich erworben wurde (und unter welchen Bedingungen) ist für einen Coach spannend, da sie natürlich auch gleich die Frage nach der Veränderbarkeit mit sich zieht. Heute möchte ich ein paar Beobachtungen zu diesem Thema mit dir teilen:
Ist Hochsensibilität eine Folge von Traumatisierung?
Seit längerem schon beschäftigt mich die Frage, ob das Entstehen einer besonders ausgeprägten Sensibilität nicht die Folge einer frühen Traumatisierung sein könnte. Vieles spricht dafür.
Wenn ein Säugling unter für ihn bedrohlichen Umständen lebt (z.B. ein Elternteil bei Überlastung zu Gewalt neigt), ist es für ihn vielleicht lebensentscheidend, sich so zu verhalten, dass dieser Elternteil nicht gereizt wird. Er wird seine Sinne so stark auf die häusliche Atmosphäre ausrichten, dass er feinste Stimmungsschwankungen mitbekommt. Und er wird sein Verhalten daran anpassen. Bei Spannungen wird er nicht schreien, obwohl er vielleicht eigentlich gerade den Wunsch nach Zuwendung oder Nahrung verspürt und unter anderen Umständen laut nach seiner Mutter verlangen würde.
Das wache Ausrichten aller Antennen auf die Quelle möglicher Gefahr sichert in diesem Fall sein Überleben. Klienten berichten mir von genau diesem Verhalten, sie beschreiben, wie sie nach der Schule immer einige Meter vor der Wohnungstür stehenblieben um die Stimmung zu erspüren, in die sie sich begeben würden. Sie mussten sich selbst von Geburt an auf atmosphärische Wahrnehmung trainieren und haben ihre Sinne aufs Feinste geschärft.
Was ist mit Menschen, die in einem sicheren Umfeld groß geworden sind?
Noch vor zwei Jahren habe ich die Theorie der Traumatisierung als Ursache für Hochsensibilität für nicht sehr wahrscheinlich gehalten. Ich konnte in meinem Leben einfach keine so gravierenden Ereignisse entdecken, die annähernd erklärt hätten, warum ich in manchen Lebensbereichen so überempfindlich reagierte. Zum Beispiel hatte ich als Kind lange Zeit Kriegsphantasien, für die ich keine Vorlage gehabt hätte, in meinen Beziehungen hatte ich Gefühlsreaktionen, die man einem Opfer von Gewalt/Missbrauch zuschreiben würde und es quälte mich eine übermäßig starke Angst vor Bedrohung und Verlust. Für all diese emotionalen Reaktionen gab es in meinem Leben keine Auslöser, so dass ich jahrzehntelang im Dunkeln tappte und mich mit halbherzigen Erklärungen aus der psychologischen Abteilung zufrieden geben musste.
In meinem Leben bin ich nicht fündig geworden. Wohl aber im Leben meiner Eltern und Großeltern. Beide Generationen haben den Krieg erlebt – eine Zeit, die geprägt war von Verlust, Gewalt und Überlebensangst. In der Beschäftigung mit den Lebenserfahrungen meiner Vorfahren stieß ich auf alle Themen, die sich in meinem emotionalen Erleben fanden und in dem Zusammenhang auf das Thema der transgenerationalen Weitergabe von Traumata. Kurz gesagt heißt das: Du musst selber nichts Schlimmes erlebt haben, um unter der Last von Traumatisierung zu leiden und davon massiv an deiner Entfaltung gehindert zu werden. Du erbst die nicht verarbeiteten emotionalen Belastungen deiner Eltern und Großeltern und trägst diese Last weiter. (Sehr empfehlenswerte Bücher dazu s.u.)
Das tückische an dieser emotionalen Weitergabe ist, dass du sie nicht verstehst. Wie kannst du dir eigene Reaktionen erklären, die völlig übersteigert scheinen, wenn du keinen Erklärungsansatz in deinem Leben dafür findest. Jede therapeutische Herangehensweise, die mit kognitivem Schwerpunkt arbeitet, muss hier sehr schnell an Grenzen stoßen. Bei mir hatten weder Psychotherapie noch Verhaltenstraining durchschlagenden Erfolg. In beiden Fällen wurde weder das auslösende Ereignis aufgedeckt, noch meine emotionale Not wirklich gesehen und aufgefangen.
Das Nicht-bekannte mit einbeziehen
Wie kann man sich denn nun dem Unbekannten nähern, wie die unbewussten Themen ans Licht holen? Was ich hier als extrem wirkungsstark erlebe, ist die Aufstellungsarbeit. Sie wirkt auf mehreren Ebenen: Zum einen zeigen sich dir Zusammenhänge, die du auf anderem Wege nicht mehr herausfinden könntest, weil du niemanden dazu befragen kannst. Selbst lang zurückliegende Ereignisse lassen sich abbilden und sichtbar machen. Weit über das hinaus, was an Informationen in deiner bewussten Erinnerung abrufbar ist. Nicht immer bildet sich die faktisch belegbare Realität ab, manchmal zeigt sich auch die gefühlte Realität. Also das, was zu diesem Zeitpunkt in dir wirkt. In deinem Unterbewussten. Mitunter zeigen sich aber auch reale Situationen mit extremer Detailgenauigkeit. Es ist magisch.
Und wir können Situationen, die damals nicht zu einem guten Ende gekommen sind, nachträglich bereinigen. In der Aufstellung versuchen wir, die beteiligten Personen auszusöhnen und übernommene Verantwortung wieder abzugeben. Kreisläufe, die im realen Leben unterbrochen worden sind, können nachträglich zu einem guten Ergebnis geführt werden. Das heilt. Das Sichtbarmachen der alten (übernommenen) Wunde und das Wiederfinden der natürlichen Ordnung hilft dir dabei, mit diesen Themen abzuschließen. Wenn ein Thema zu einem heilen Abschluss gebracht werden kann, dann lässt es dich los und du erlebst einen großen Zugewinn an Freiheit – im Denken, Fühlen und Handeln. Bei mir hat die Aufstellungsarbeit dazu geführt, dass ich nach vielen Jahren Singleleben nun in der Lage bin eine kraftvolle, lebendige Beziehung zu führen, in der ich echte Nähe erlebe und ein für mich wohltuendes Maß an Gleichklang und Gegensätzlichkeit.
Warum Aufstellungen besonders für Hochsensible so wertvoll ist
Die besten Ergebnisse mit Aufstellungsarbeit erzielt man, wenn die teilnehmenden Personen gut fühlen und wahrnehmen können. Wer ist hier besser geeignet als Hochsensible?! Feine Stimmungen erspüren, Informationen empfangen, Körperregungen wahrnehmen – das sind Kernkompetenzen von hochsensiblen/hochsensitiven Menschen. Durch das sensible Wahrnehmen dieser Impulse gelangen wir in der Aufstellung an Informationen und Emotionen und können so die belastenden oder traumatischen Ursprungsereignisse aufdecken. In dem Maße, wie ein Mensch in seinen schmerzhaften Themen Heilung und Entspannung erfährt, kann sich seine sensible Veranlagung auf ein gesundes Maß einpendeln, das nicht mehr als überlastend sondern als bereichernd empfunden wird.
Und in der Gruppe machen wir nebenbei die Erfahrung, dass wir alle ähnliche Themen haben und dass wir mit diesen Themen nicht alleine sind. Das tut gut und verbindet.
Du bist herzlich eingeladen!
Literaturempfehlung:
Sabine Bode: „Die vergessene Generation: Kriegskinder brechen ihr Schweigen“, „Kriegsenkel: Die Erben der vergessenen Generation“
Ehepaar Baer: „Wie Traumata in die nächste Generation wirken“
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Ariane von Massow
Hallo,
in diesem hochinteressanten Ansatz finde ich Parallelen zu der von Clemens Kuby entwickelten Methode des „Geistigen Heilens“, die damit beginnt, in frühester Kindheit oder sogar vorgeburtlich entstandene „Schmerzbilder“ als Ursache für jede emotionale oder körperliche Last aufzuspüren, zu fühlen und sie dann nach der von ihm entwickelten Methode „umzuschreiben“ und zur Heilung zu bringen.
Für mich schliesst sich das auch nicht aus, mit der wissenschaftlichen Erkenntnis, nach der 15 -20% der Menschheit arterhaltend hochsensibel sind; einfacher macht es die Sache zwar nicht gerade, wenn zur Gabe der Hochsensibilität als Verstärker traumatische Verursacher und Kindheitsverletzungen hinzukommen. Aber jede einzelne Erkenntnis in diesem schier unerschöpflichen Mosaik kann doch (hoffentlich) dabei helfen, sehr hohe Sensibilität/Sensitivität dort mildern zu können, wo sie in unserem Alltag des 21. Jahrhunderts zu schwere Last ist.
Barbara Grebe
Liebe Ariane,
herzlichen Dank für deinen Kommentar zu meinem Artikel! Vielleicht ist die Last tatsächlich nur in der Belastung durch emotionale Verletzung zu suchen und überhaupt nicht in der Hochsensibilität. Dann nämlich fällt der ganze Leidensdruck von uns ab in dem Maße, wie wir unsere Themen auflösen und heilen. Lieben Gruß!
lissy rolfing
Liebe Frau Grebe!
Ich habe schon sehr viele Therapien gemacht. Diagnose: Posttraumatische Belastungsstoerung. Vieles passt, einiges ist für mich nachvollziehbar, aber eine wirkliche Tat oder Situation dazu habe ich nicht. Ausser ständig kranke und überlastete Eltern und das ich sehr früh selbständig und vernünftig sein müsste. Ansich aber liebevolle Eltern. Der Vater mit 16 Jahren noch eingezogen und geplagt von Alpträumen. Die Mutter voller Ängste, die mit Beruhuugungstabletten gedaempft wurden. Wahrscheinlich beide durch die Kriegssituatio überlastet. Dazu ein mit im Haus lebender alkoholabhaengiger Großvater. Ich selbst höhere überall das Gras wachsen, wie man so schön sagt. Bin gierig nach Anerkennung, habe starke Verlustaengste, grosse Selbstzweifel und passe mich jedem und ständig an. Kann nur sehr schwer „nein“ sagen und habe inzwischen gravierende körperliche Einbußen. Und trotz allem gibt es glückliche Momente in meinem Leben. Vielleicht, weil ich immergrüner die richtigen und passenden Menschen außerhalb der Familie getroffen habe oder mir die richtigen Zeile oder Bücher über den Weg liefen. So, wie sie mit ihren Gedanken uns Anregungen. Herzlichen Dank dafür.
Mit lieben Gruessen
lissy rolfing
Barbara Grebe
Liebe Lissy,
herzlichen Dank für Ihren berührenden Kommentar. Zu merken, dass die Texte, die man losschickt am anderen Ende etwas bewirken, ist immer schön! Ich wünsche Ihnen einen guten Blick auf alles, was stärkt, erfreut und heilt. Herzliche Grüße, Barbara