Wenn du spirituell bist, ohne es zu wissen
Ich kenne einige Menschen, die es weit von sich weisen würden, sich für spirituell zu halten. Schon das Wort „Spiritualität“ löst in vielen Menschen einen Abwehrreflex aus, weil ihm entweder der Beigeschmack des mystisch-esoterischen oder des dogmatisch-kirchlichen anhaftet. Selbst Menschen, die hoch spirituell sind, behalten dies manchmal für sich und verlieren kein Wort darüber. Warum ich das für ungünstig halte, wird weiter unten deutlich.
Neulich habe ich erlebt, wie eine Frau durch das Erkennen ihrer eigenen Spiritualität aus einem Gefühl von Benachteiligung und Opferdenken in ihre Schöpferkraft gefunden hat. Diese Frau litt sehr unter ihrem Umfeld. Ihre Werte – zB ihr Sinn für Gerechtigkeit – wurden stark verletzt und ihre natürliche Empathie immer und immer wieder ausgenutzt. Sehr häufig formulierte sie: „Ich verstehe nicht, wie Menschen so sein können.“ Gleichzeitig fühlte sie sich an diese Menschen gebunden, so dass sie ihrem Drang nach Freiheit und Entfaltung nicht voll nachgehen konnte. Immer, wenn der Absprung zum Greifen nah war, machte sie einen Rückzieher.
Diese Frau trägt eine große Liebe für alle benachteiligten Geschöpfe in sich. Sie kümmert sich um pflegebedürftige Menschen ebenso wie um Straßenhunde aus Rumänien.
Welche Werte bestimmen das Leben dieser Frau? Als wir die ganzen detailreichen Geschichten einmal beiseite ließen, wurden sehr deutlich diese Werte sichtbar:
- Wahrheit / Gerechtigkeit
- Liebe / Empathie
- Freiheit
Typische Werte für hochsensible Menschen
Diese Werte tauchen in meiner Arbeit mit hochsensiblen Menschen immer wieder auf. Früher dachte ich, es seinen individuelle Werte, die der eine Mensch hat und der andere nicht. Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass diese Werte in jedem Menschen angelegt sind und dass die Unterschiede im Maß der Bewusstheit und der Verwirklichung liegen.
So beschreibt auch der spirituelle Lehrer Christian Meyer in seinem Buch „Erleuchtung kann jeder“ die vier grundlegenden „inneren Bewegungen“ des spirituellen Weges:
- Freiheit
- Verbundenheit und Liebe
- Klarheit und Wahrhaftigkeit
- Hingabe
Diese inneren Bewegungen sind als Sehnsucht tief in jedem Menschen angelegt. Sie sind so etwas wie ein Urprogramm, dem wir alle folgen. Was uns aber voneinander unterscheidet, ist
- der Grad an Bewusstheit und
- die Bereitschaft zur Hingabe, dieser Erkenntnis zu folgen.
Je mehr Bewusstheit ein Mensch für das eigene SEIN entwickelt (bewusst-SEIN), desto leichter wird er zu unterscheiden lernen, welche Angebote ihm auf dem Weg dienen und welche nicht.
Der zweite wesentliche Aspekt ist die Hingabe. Hier empfinde ich das größte Lernfeld für unsere kontrollverliebte Gesellschaft. Sie propagiert Kontrolle über das Leben als Leitschnur. Welch ein Wahnsinn! Und gleichzeitig ein absoluter Irrglaube. Naturgemäß tun sich Menschen, die der Kontrolle folgen mit Hingabe schwer, denn Hingabe wird als Kontrollverlust und Ohnmacht empfunden. Doch es braucht die Hingabe an diesen Weg, die Hinwendung zu unserer spirituellen Natur, wenn uns an der eigenen Entwicklung und echter Liebe und gelegen ist.
Wie dein feines Gespür dich leiten möchte
Ich sehe, dass sehr viele hochsensible Menschen diese inneren Bewegungen wahrnehmen und ihnen Raum in ihrem Leben geben. Dies tun sie häufig intuitiv und sind sich nicht bewusst, dass sie damit in Wirklichkeit dem spirituellen Weg folgen, dem Weg der Wahrhaftigkeit, der Liebe, der Freiheit und der Hingabe. Dieser Weg vermittelt sich sehr fein über Intuition und Spürigkeit. Es ist daher nicht verwunderlich, dass hochsensible Menschen diesen Sog wahrnehmen. Um es aber auch benennen und einordnen zu können, fehlen ihnen manchmal die richtigen Worte.
In dem oben beschriebenen Fall hat das Erkennen dieses Zusammenhangs dazu geführt, dass die Identifikation mit der Opferrolle aufgehört hat und Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit ihre Macht verloren haben. Das war der entscheidende Schritt in Richtung innerer Freiheit.
Wenn du als hochsensibler Mensch mit diesen Zeilen etwas anfangen kannst, wenn du vielleicht schon längst (unbewusst) dem spirituellen Weg folgst, dann lade ich dich ein, dich auch bewusst dafür zu entscheiden.
Wahrhaftigkeit als Leitschnur
Wenn ich heute auf meine eigene Biografie zurückschaue, dann sehe ich, dass ich mein Leben lang diesen Werten gefolgt bin. Mir ging es immer schon darum, mich in meiner Essenz zu erkennen und die echte Liebe zu ergründen und zu leben. Viele Ablenk-Angebote wurden mir vor die Nase gehalten, z.B. das Credo meines Vaters, dass Sicherheit an oberster Stelle kommt. Wäre ich diesem Gedanken gefolgt, hätte ich mich vielleicht in einer sicheren (weil vertrauten) Beziehung oder einem (finanziell) sicheren Job verbogen. Ich hatte manchmal keine Argumente für meinen Weg (die Suche nach Wahrhaftigkeit), sondern nur den inneren Drang, dem Gefühl der Stimmigkeit zu folgen.
Mit der Zeit hat sich in mir ein feines Gespür herausgebildet, das Wahrhaftigkeit recht schnell erkennt, das Liebe erkennt und das ebenfalls erkennt, wann andere Faktoren (wie zum Beispiel Ängste oder emotionale Altlasten) die Führung übernommen haben.
Ich halte es für unverzichtbar, dass wir Menschen uns wieder auf unsere wahre Natur besinnen. Wenn wir das tun, schaffen wir die Voraussetzung für individuelle und kollektive Heilung. Daraus erwachsen einerseits psychische Heilung und berufliche Verwirklichung und andererseits der Sinn für Menschenfürsorge, Gemeinwohl, Beziehungspflege, Umweltschutz, Tierwohl, nachhaltige Lebensgestaltung…
Nach meinem Dafürhalten hat die Welt nicht viele Probleme, wie es den Anschein hat. Sie hat nur das Eine:
Dass sich sehr viele Menschen von sich selbst und damit vom wahren, liebenden/fühlenden Wesenskern entfernt haben.
Ich sage: Jeder Mensch (also auch du) ist ein spirituelles Wesen, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht.
Und: Es ist deine Entscheidung, ob du dich dafür öffnest, deine wahre Natur zu erforschen und zu leben. Diese Wahl triffst du jeden Tag neu.
Für Menschen, die sich eine längere Begleitung in der Selbsterforschung wünschen, gibt es jetzt eine Jahresbegleitung. Individuelle Absprachen sind ebenfalls möglich.
Bild: Bettina Grebe