Kindliches Opfer

Kindliches Opfer

Sie haben gesagt, ich soll stillsitzen und nicht rumzappeln.

Sie haben gesagt, ich soll mich konzentrieren.

Sie haben gesagt, ich soll nach vorne zur Tafel schauen.

Sie haben mir vermittelt, ich sei falsch, wenn ich nicht gehorche.

Deshalb habe ich meine Lebendigkeit geopfert. Um dazu zu gehören, um lieb gehabt zu werden, um richtig zu sein.

Ich habe meinen Bewegungsdrang unterdrückt und meinen Spieltrieb gebremst.

Ich habe gelernt, mich auf eine Sache zu konzentrieren und alle inneren Ausflüge zu unterbinden.

Ich wurde folgsam. Ein liebes Kind.

Auf dem Opfertisch für die Anerkennung liegt meine Lebendigkeit. Die Bewegungsfreude, innere Gelöstheit, Kreativität und gedankliche Weite.

Sie wurden in der Schulklasse beerdigt.

***

Sie haben gesagt, ich soll stillsitzen und nicht rumzappeln.

Sie haben gesagt, ich soll mich konzentrieren.

Sie haben gesagt, ich soll nach vorne zur Tafel schauen.

Sie haben gesagt, ich sei falsch, wenn ich nicht gehorche.

Ich habe mich nicht geopfert. Ich war nicht bereit, Lebendigkeit, Kreativität, Neugier und Bewegungsfreude herzugeben.

Sie sagten, ich könne mich nicht konzentrieren.

Sie sagten, ich sei zu dumm für die Aufgabe.

Sie sagten, ich sei ein Zappelphilip.

Sie sagten, ich sei faul und hätte keine Disziplin.

Ich habe rebelliert und mir meine Lebendigkeit erhalten. Meine Kreativität, das weite Denken, die Bewegungsfreude.

Es hat mich die Anerkennung gekostet. Ich habe den Wunsch nach Anerkennung geopfert, um meine Lebendigkeit und Phantasie zu erhalten.

Das, was man damals über mich sagte, glaube ich heute selber.

Das, was ich gerettet habe, hat keine Anerkennung erfahren. Und das, wogegen ich zu rebellieren gelernt haben, würde ich heute benötigen.

Disziplin und Fokussierung wurden in der Schule beerdigt.

***

Sie haben mir nichts gesagt. Sie haben mich nicht kritisiert und mich nicht schlecht behandelt.

Aber sie haben mir vorgelebt, dass sie gestresst, überfordert und unzufrieden sind. Ich habe gespürt, dass meine kindliche Lebensfreude, mein Bewegungsdrang, der Wissensdurst und der Zuwendungshunger zu viel ist.

Deshalb habe ich meine Lebendigkeit geopfert. Damit es ihnen besser geht.

Heute weiß ich nicht mehr, dass ich das getan habe.

Man sagt, ich hätte eine glückliche Kindheit gehabt.

Ich weiß nicht, ob das stimmt.

 

Nur manchmal sehne ich mich nach Lebendigkeit.

Ich glaube, ich werde mich auf die Suche nach meinen Wurzeln begeben.

 

 

 

Foto: Sibillino – pixabay

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