Hochsensible Kinder – Spießrutenlauf Schule
Derzeit beschäftige ich mich verstärkt damit, wie hochsensible Kinder (und deren Eltern) einen gangbaren Weg durch die Schule finden. Verstärkt wenden sich Eltern an mich, die in einer belastenden Situation mit ihrem hochsensiblen Kind stecken. Hochsensible Kinder haben Besonderheiten, mit denen einfühlsame Eltern in den ersten Jahren häufig intuitiv ganz gut umgehen. Besonders, wenn sie selber sehr sensibel sind, finden sie kreative Lösungen für die speziellen Wesenszüge ihres Kindes.
Problematisch wird es häufig, wenn das Kind in den Kindergarten oder die Schule kommt. Hier wird das sensible Kind mit einem System konfrontiert, in dem es sich ständig überreizt und überfordert fühlt und in dem ihm niemand zur Seite steht, der ihm hilft damit umzugehen. Die Szenarien, die sich hier entwickeln können, reichen von rasenden Wutanfällen bis zur kompletten Schulverweigerung. Für Eltern wie Kinder ist solch eine Zuspitzung extrem belastend. Die Suche nach Ursachen führt zu Psychologen, Sozial- oder Lerntherapeuten und durch zahlreiche Tests. Nicht selten kommt es zu populären (Fehl-)Diagnosen, die mit der Empfehlung einhergehen Medikamente zu verabreichen.
Und was steckt dahinter?
Ein Kind, das extrem einfühlsam ist, eine sehr feine Wahrnehmung hat, ein ausgeprägtes Empfinden für Gerechtigkeit besitzt und völlig überfordert ist. In den allermeisten dieser Fälle ist aber gar nicht das Kind das Problem, sondern die Konfrontation mit einem System, das so wenig auf Individualität eingeht, die fehlende Passung also. Ja, hochsensible Kinder sind häufig sehr außergewöhnlich, so wie es jede Form von Hochbegabung mit sich bringt. Und diese Individualität findet keine Überlebensmöglichkeit in einem System, in dem immer noch Gleichmachung das oberste Gebot ist.
Wichtigster Verbündeter ist für ein hochsensibles Kind ein Elternteil, der es versteht, schützt und ermutigt. Und der die Herausforderung annimmt, kreative Lösungen zu finden, die es dem Kind erleichtern, in Kindergarten und Schule zurecht zu kommen.
Das Thema empfinde ich als so drängend und gleichzeitig so groß, dass ich gerne einmal von euch erfahren möchte, was ihr als Eltern eines hochsensiblen oder hochbegabten Kindes dazu denkt. Habt ihr Erfahrungen, hilfreiche Ansätze, Wünsche, eine eigene Leidensgeschichte oder aber besondere Fragen?
Ich freue mich über eure Berichte, Gedanken und Zukunftsvisionen.
Winfried Straub
Liebe Frau Grebe,
unser Sohn ist 5 Jahre alt und kommt nächstes Jahr in die Schule. Er ist seit seiner Geburt sehr empfindlich. Anfangs hat sich das insbesondere auf äußere Reize bezogen wie Anziehen, Waschen, Essen. Inzwischen bemerken wir deutlich, dass ihn der Kindergarten anstrengt. Er sagt selbst, dass ihm das Durcheinander und das Geschrei zu viel ist. Mitunter reagiert er ablehnend auf Menschen (insbesondere wenn sie unbekannt sind) und gereizt bis aggressiv auf Störungen. Interessant ist, dass er nicht wirklich die im Zusammenhang mit HSP oft angesprochene Einfühlsamkeit zeigt, manchmal ganz im Gegenteil. Da habe ich dann fast den Eindruck, er ist für sich schon davon überzeugt, dass das nicht richtig ist und dass man das am besten überspielt. Unter den Kindern hat er sich vor allem mit Sport und Klamauk eine ziemlich gute Position erobert, einladen können wir dennoch selten, da andere Kinder nicht in sein Kinderzimmer dürfen. Bei feierlichen Auftritten im Kindergarten bekommt er regelrecht Panik. Die Erzieherinnen zerren dann leider gerne mal an ihm herum, was er überhaupt nicht verträgt. Alles in allem gehen die Zeichen allerdings in eine Richtung, die es für uns Eltern als Laien etwas schwer macht zu unterscheiden, ob das jetzt in Richtung Hochsensibel oder in Richtung Asperger geht. Kann man das anhand einiger Kriterien gut unterscheiden?
Barbara Grebe
Lieber Herr Staub,
das, was Sie beschreiben, lese und höre ich von sehr vielen Eltern hochsensibler Kinder. Und immer schwingt die Frage nach Aspberger mit. So oft kommt Aspberger nicht vor und wenn, dann hätten Sie vorher schon etwas davon gemerkt. Dann hätten Sie als Eltern schon eine Kontaktstörung Ihres Kindes zu Ihnen wahrgenommen. Kann Ihr Kind Sie ansehen, haben Sie einen emotionalen Kontakt zu ihm? Die wahrscheinlichere und wesentlich häufigere Variante ist, dass Ihr Kind einfach versucht, mit dem Übermaß an Reizen umzugehen und sich zu schützen. Wenn Hochsensible dies tun (auch die Erwachsenen), dann kommt das häufig überhaupt nicht emphathisch rüber, sondern wie Sie sagen, eher „ganz im Gegenteil“. Das sind Bewältigungsstrategien, um mit der Situation, die schon lange jenseits des Wohlfühlbereichs ist, klarzukommen. Nichts davon ist ungewöhnlich für ein überfordertes HS-Kind. In all den Gesprächen, die ich mit Eltern hochsensibler Kinder schon hatte, bin ich bisher bei immer ähnlichen Schilderungen noch auf keinen Fall gestoßen, bei dem ich den Verdacht hatte, es könne eine Störung vorliegen. Wunderbare Kinder, extrem helle und sensibel und gleichzeitig überfordert in dem Versuch so zu sein wie die anderen. Und deshalb in Not, was sich in solchen Verhaltensweisen wie den von Ihnen beschriebenen äußert. Ich hoffe, das hilft Ihnen vorerst weiter, sonst schreiben Sie mir gerne eine E-Mail. Herzliche Grüße.
Winfried Straub
Liebe Frau Grebe,
ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Antwort. Damit helfen Sie mir tatsächlich schon viel weiter. Ggf. komme ich in Zukunft einmal auf Sie zu, das Thema begleitet uns ja doch auf längere Zeit. Herzliche Grüße.
Sandra Memmel
Hallo, der Artikel spricht mir aus der Seele. Ich selber Hochsensibel, heute 42 Jahre alt und Mutter von drei Kindern ( zwei Hochsensibel, eines extrem) machen seit der Einschulung viel mit und leider auch. Das es Hochsensible Kinder gibt, ist in den Schulen leider noch nicht angekommen.Die Kinder werden als Heulsusen, eigenbrötlerisch und verweichlicht hingestellt. Wenn du Glück hast, bekommt es eine Lehrerin die Hochsensibilität schon kennt aber wie im Artikel schon erwähnt nicht ins System einbringen kann. Manchmal fühle ich mich als kämpfe ich vergebens für Gehör…ich wünsche mir einfach nur für meine Kinder das sie nicht immer diesen negativen Stempel kriegen, ein wenig Verständnis bekommen und sich an eine schöne Schulzeit erinnern können.
Das ist doch nicht zuviel verlangt.
Barbara Grebe
Liebe Frau Memmel,
Sie haben Recht: Es ist noch nicht angekommen. Umso wichtiger ist es, dass es bei den Eltern voll ankommt. Damit meine ich, dass wir Eltern nicht drum herum kommen, uns damit auseinander zu setzen, was genau unsere Kinder brauchen und wo wir Brücken bauen können. Wir sind die Vermittler in der Kommunikation nach außen. Da braucht es viel Fingerspitzengefühl. Dann kann es klappen und hilft den Kindern, eben nicht den Stempel zu bekommen. Sie können für Verständnis werben, wenn Sie gute Erklärungen anbieten, die die andere Seite annehmen kann.
Herzliche Grüße
Barbara Grebe
Julia Sponsel
Hallo Fr. Grebe,
Ich, 42 J., HSP, habe zwei hochsensible Kinder. V. a. mein Sohn (9 J, 3. Klasse) erfährt viel Unverständnis. In den letzten beiden Tagen hatte er 4! Strafarbeiten wg Störens bzw weil er ein Utensil zuhause vergessen hatte. Vor allem sollte er bei einer Strafarbeit alles notieren wodurch er immer stört. Dieser starke Fokus auf alles was er falsch macht, brachte mich fast zum Weinen. Mal davon abgesehen, dass es für mich unbegreiflich ist, wie Lehrer durch Strafen eine Verhaltensänderung /-verbesserung erreichen wollen! Und das im 21. Jahrhundert! Ich bin auch immer noch entsetzt darüber wie wenig verbreitet der systemische Gedanke bei Pädagogen zu sein scheint. Und in jedem KESS-erziehen Elternkurs lernt man heute besseres.
Auch gipfeln diese vielen Strafarbeiten schon in selbstentwertenden Äußerungen. (Das waren nicht die ersten…) Ich sehe die weitere Schullaufbahn mit Sorge in diesem System. Eine Waldorf-oder Montessorischule kann ich mir nicht leisten…
Devi
Hallo Frau Grebe,
ich würde sagen: It’s a mess! Genau wie Sie es beschreiben, durchlaufen wir mit unserem Sohn (7) nun sämtliche Diagnostiken. Unser Sohn gehört in die Kategorie: Um-sich-schlagen-wenn-es-zuviel-wird. Außerdem ist er zwar sehr empfindsam aber wenig empathisch (auch das gibt es 😉 ) – jedenfalls nicht mit Menschen. Schon eher mit seinen vielen Stofftieren. Die Art und Weise, wie in der Schule Wissen vermittelt wird, langweilt ihn meistens…
Zum Glück haben wir eine „gute“ Schule (tolle Lehrerinnen) erwischt. Doch es ist wahnsinnig anstrengend. Wir selbst haben den schulpsychologischen Dienst eingeschaltet, weil er andere Kinder attackiert und er wird jetzt auf „Autismus Spektrumsstörung“ untersucht… Dabei bin ich mir sicher, dass es das nicht ist.
Krass finde ich Aussagen wie: „Das Kind hat nie gelernt Grenzen zu akzeptieren, denn es wurden ihm keine Grenzen gesetzt“. Das ist für Eltern echt heftig! Genau DAS hat gerade vor etwa einer Stunde unser Kinderarzt zu mir gesagt. Er sagte: „ADS ist aus der Mode, jetzt ist es Autismus, doch im Grunde wurde den Kindern bloß nie ordentlich Grenzen gesetzt von den Eltern!“ BÄMM… Was für eine Ohrfeige…
Für mich sind diese Kinder schlicht „neue Kinder“. Wer zum Geier sagt eigentlich, dass die Evolution abgeschlossen ist? Die Kinder heute haben einen komplett weiteren Bewußtseinslevel als selbst ich es als Kind hatte (ich bin spät Mutter geworden). Sie passen nicht mehr in dieses System. Und damit will ich gar nicht irgendeinem System irgendwelche Schuld geben. Es ist einfach Entwicklung.
Bisher habe ich mich immer eher zurückgehalten – hochsensibel, hochbegabt – das klingt so „etepetete“. Gerade las ich den Begriff „erhöhte Umweltsensitivität“. Bingo – das gefällt mir. Ich werde nun dafür einstehen, wie mein Sohn ist und die Diagnostiken zwar zulassen, dennoch von Anfang an klarstellen, das ich davon ausgehe, er ist gesund!
Müde Grüße einer echt grad gestressten Mutter….
Barbara Grebe
Liebe müde Mutter,
Sie sprechen so vielen Müttern aus der Seele, da bin ich mir sicher. Denn sie sitzen mit ganz ähnlichen Berichten bei mir in der Beratung. Ja, es wächst gerade eine andere Generation heran und die zeigt uns deutlich, dass die alten Methoden nicht mehr passen. Und es ist an uns, dies zu verstehen und neue Wege zu suchen. Die Kinder können es nur aufzeigen. Mein Apell: Schließen Sie sich Gleichgesinnten an – unter den Hochsensiblen werden Sie fündig, wenn Sie sich zeigen. Egal, ob Sie den Begriff passend finden oder ablehnen – es ist einfach ein Begriff, wo verstärkt Menschen zusammenkommen, die ähnlich ticken. Vielen Dank für Ihren Beitrag!! Und gute Erholung! (Bitte die Pausen nicht vergessen.) Herzlichst, BG
Annette
Liebe Frau Grebe,
vielen Dank für den interessanten Beitrag. Allerdings besorgt mich dieser auch ein wenig, ebenso wie die Kommentare Ihrer Leser.
Mein Sohn ist 5 und kommt nächstes Jahr in die Schule. Die Kindergartenzeit lief so gar nicht, wie ich mir das im Vorfeld ausgemalt hatte. Es ging schon los mit einer wirklich langwierigen Eingewöhnungszeit. Heute merke ich, dass es für meinen Sohn extrem anstrengend ist. Obwohl er als einziges Kind in der Gruppe von mir schon mittags geholt wird, explodiert er öfters mal, wenn er wieder zuhause ist. Ich merke sofort, wenn er zu lange dort gewesen ist. Was an einem Tag von der Länge ok war kann schon morgen zu viel gewesen sein.
Bei Extrembelastungen (die für andere gar keine sind) entwickelt er Tics. Außerdem ist er häufig erkältet. Ich glaube, dass sein Körper im Kindergarten viel Cortisol ausschüttet und dass ihn das schwächt. Eine Lösung habe ich bisher nicht gefunden. Kürzer kann er nicht gehen, weil ich arbeite und er sowieso schon einen Außenseiterstatus hat, eben weil er öfters wegen Krankheit fehlt und nicht bis 17 Uhr bleibt, was bei uns im Einzugsgebiet von Frankfurt so üblich ist.
Wutanfälle kenne ich nur zu gut. Auch ich habe schonmal überlegt, ob er nicht Asperger haben könnte. Zu Spielkameraden muss ich immer mit, mit Ausnahme der Nachbarin. Er erbricht, wenn er was nicht riechen kann, kann Lautstärke in Gruppen nicht ertragen (z. B. Fußball in der Halle – da steht er nur am Rand und hält sich die Ohren zu) und ist extrem perfektionistisch. Und schlau.
So langsam beginne ich zu ahnen, dass es nächstes Jahr schwierig werden könnte.
Was kann ich heute schon tun? Wie kann ich ihm helfen, auf sich und seinen Körper zu hören? Was kann er denn konkret tun, wenn es ihm in der Klasse, auf dem Gang oder beim Sport zu laut wird oder er merkt, dass er nicht mehr kann? (Hierfür müsste er erstmal in der Lage sein, dass zu merken – so weit ist es noch nicht). Was ich toll fände, aber noch nie irgendwo gesehen habe, wäre ein Coaching für hochsensible Kinder.
Ich wünsche mir so sehr eine schöne Schulzeit für ihn. Wäre eine Waldorfschule geeigneter? Ich war auf einem Infoabend, und ich fand es ansprechend. Was mir aber nicht gefällt, sind die sehr großen Klassen (Thema Lautstärke) und dass es mehr Unterrichtsstunden gibt.
Herzliche Grüße
Annette
Barbara Grebe
Liebe Annette,
es hat etwas länger gedauert, Ihren Artikel zu beantworten, weil ich verreist war. Es ist schwierig, darauf hier pauschal zu antworten, weil die Kinder einfach auch voneinander abweichen. Und die Umstände in Kindergarten und Familie auch jedes Mal individuell betrachtet werden müssen. Was ich aber sagen kann ist, dass es nicht wirklich Kindercoaching braucht, sondern Elterncoaching. Für Sie als Eltern ist es total wichtig, ein gutes Verständnis für die Besonderheiten Ihres Kindes zu erwerben und einen neuen, kreativen Umgang damit zu finden. Ihr Kind ist stärker als andere Kinder auf Ihre Unterstützung angewiesen. Wenn Sie als Eltern etwas anders machen, wird Ihr Kind automatisch darauf reagieren. Das ist das allerwichtigste. Die Schulform ist nicht so entscheidend. Es kann gut laufen oder schlecht – entscheidender ist, mit welchen Menschen Sie dort zu tun bekommen. Wenn ein Lehrer einen guten Blick für die Besonderheiten Ihres Kindes hat und gesprächsbereit ist, ist das viel wichtiger, als das Schulkonzept. Mein Tipp: Holen Sie sich Beratung. Ich arbeit bei hs Kindern immer mit den Eltern und bekomme sehr gute Rückmeldungen. Liebe Grüße, Barbara
Andrea Costa
Liebe Frau Grebe,
auch meine Tochter (gerade 14 geworden) ist hochsensibel. Die Schwierigkeiten in der Schule haben mit der 3. Klasse und einer sehr herrischen Lehrerin angefangen. In der 4. Klasse fehlte meine Tochter ein halbes Jahr wegen enormer Schulängste. Dennoch bekam sie eine Gymnasialempfehlung. Gerade zu diesem Zeitpunkt, sich für eine Schulart zu entscheiden, wurden die Realschulen in Haupt- und Realschule umformiert. Selbst die Rektoren wussten nicht wie sie das bewerkstelligen sollten. Eine Gesamtschule entstand aus einer ehemaligen Hauptschule und erinnerte eher an eine Jugendstrafanstalt, so dass ich mich mit meiner Tochter zwangsläufig für das nächstgelegene Gymnasium entschieden habe. Kurz nach dem Schulwechsel wurde meine Tochter krank und konnte danach neuerlich nicht in die Schule gehen. Es begann eine Odyssee für uns. Kein schulpsychologischer Dienst, Arzt oder Jugendamt konnte weiterhelfen. Ich bin von Pontius zu Pilatus gerannt. Der Druck der Schule, mit Androhung einer Anzeige, war enorm. Das Jugendamt wiederum machte Druck, dass man mir im Zweifel das Sorgerecht entziehen würde, wäre ich nicht in der Lage, mein Kind wieder in die Schule zu bringen. Der soziale Dienst wollte meine Tochter stationär alleine in eine Klinik einweisen, weswegen meine Tochter aus Angst davor fast weggelaufen wäre. Ich war nervlich am Ende. Monatelang ging das so, bis ich schließlich einen eigenen Weg gefunden habe und für meiner Tochter (damals 11) eine Reha beantragt habe, bei der ich sie begleiten konnte. Hier war wichtig, aus dieser Endlosschleife zu entkommen. Dort verlief allerdings manches auch nicht so wie ich es mir gewünscht hätte. Nur einmal die Woche gab es 20 Min Therapiestunde, in die meine Tochter anfänglich (noch bei einem Therapeuten) sogar gerne gegangen ist. Weil kognitiv sehr reif, wurde meine Tochter in eine Gruppe von Jugendlichen zwischen 13 bis 16 Jahren gesteckt. Völlig überfordert von dieser Situation, ihre freie Zeit mit diesen Jugendlichen – ohne eine erwachsene Person anbei – verbringen zu müssen, vermied sie diese Treffen. Nach der Reha gelang meiner Tochter dennoch der Wiedereinstieg in die Schule – auf Anraten der Direktorin in der gleichen Klasse. ½ Jahr Schulzeit hatte sie verpasst, dass ich durch Homeschooling versucht habe, einigermaßen auszugleichen. Das ging 3 Jahre lang gut, wenngleich meine Tochter in dieser Zeit nie wirklich glücklich gewesen ist. Nun in der 8. Klasse und einer neuen Zusammensetzung der Schüler (26 Mädchen und 2 Jungen) fehlte sie aufgrund eines Infekts 4 Wochen. Seitdem kann sie nicht mehr in die Schule gehen. Sie findet das ganze Schulsystem, die großen Klassen und große Schule (mehr als 1.200 Schüler) als eine untragbare Belastung. Auch ist sie in der Klasse allein und fühlt sich zu keiner Gruppe zugehörig. Jeder hat seine feste Freundin, so dass sie sich als Außenseiterin fühlt. Sie ist derzeit so tief traurig, dass viele Tränen fließen. Auch von den Leistungen ist sie abgefallen und schämt sich gegenüber den anderen Schülern dafür. Eine Lehrerin hatte sogar einmal zu ihr gesagt „Du bist ein hoffnungsloser Fall!“, weil sie aus Angst, eine falsche Antwort zu geben, geschwiegen hat. „Ich will das alles gar nicht“ und „Am liebsten möchte ich gar nicht mehr da sein“ höre ich sie immer wieder verzweifelt sagen.
Meine Tochter ist ein so wundervolles und empathisches Kind. Ihre Hochsensibilität macht sie regelrecht unglücklich. Sie möchte das alles gar nicht!
Was soll ich nun tun? Eine alternative Schule mit kleineren Klassen gibt es hier nicht. Ich möchte vermeiden, dass wiederum eine Odyssee für uns beginnt… Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass meine Tochter unbeschwert und glücklich sein kann.
Herzliche Grüße,
Andrea
Barbara Grebe
Liebe Andrea,
Sie haben mein volles Mitgefühl. Welch eine Strapaze und leider überhaupt kein Einzelfall. Ich höre derzeit sehr oft solche und ähnliche Berichte.
Es gibt auch leider keine leichte Lösung, denn: Das System Schule ist krank. Solange es an erster Stelle steht und unsere Kinder gezwungen werden, sich an dieses starre Normierungssystem anzupassen, wird es diese Probleme geben. Hier ist aber NICHT die Hochsensibilität die Ursache. Die hs Kinder zeigen nur als erste, dass etwas schief läuft. Diese Art der Beschulung ist weder kind- noch gehirngerecht. Das zeigen uns unsere Kinder auf.
Als Eltern können wir nur schauen, wo wir das verträglichste Umfeld finden, z.B. verständnisvolle LehrerInnen, oder die vergleichsweise passendste Schule. Und wir können natürlich – und das ist mein Ansatz – schauen, wie wir unsere Kinder stärken, damit sie halbwegs unbeschadet ihren Weg finden. Hier muss man ganz individuell schauen und es ist nichts, was nur das Kind betrifft, sondern hier sind die Eltern sehr gefordert. Es ist ein Entwicklungsprozess, der die eigene Emanzipation aus der Systemkonformität erfordert. Erst dann können wir unsere Kinder wirklich verstehen und emotional in ihrer Not abholen, begleiten und schützen, wo Schutz nötig ist. Ein Kind, das sich erkannt und verstanden fühlt, entwickelt ganz neue Ressourcen.
Ganz herzliche Grüße und vielen Dank für Ihre Schilderung. Sie wird anderen Eltern den Rücken stärken, wenn sie merken, dass sie nicht alleine sind.
Sabrina Sofffa
Vielen lieben Dank für diesen Artikel, auch wenn er schon etwas älter ist. Ich selbst habe zwei hochsensible Kinder. Besonders der Kleine, mittlerweile 8 Jahre, bekommt das ganze Ausmaß seiner Sensibilität in der Schule zu spüren. In der 1. Klasse wurde er gemieden und fand keinen sozialen Anschluss, bis hin zu Mobbing. Dann wechselten wir die Schule, auf der mehr seiner ehemaligen Kita-Freunde sind. Dort begann das Spiel von Seiten der Lehrer: Er hat sehr viele soziale Schwierigkeiten, wurde uns mitgeteilt. Er verweigert ab und zu den Unterricht und mittlerweile nach fast einem Jahr schlägt er andere Kinder. Von seitens der Schule treffe ich nur auf Unverständnis und die Verantwortung wird nur auf uns Eltern abgewälzt. Corona sei Dank, hat er ein halbes Schuljahr Ruhe gehabt und konnte so entspannt zu Hause lernen. Jetzt ist er aber wieder voll in der Schule und der ganze Ärger mit den Lehrern geht weiter. Auf Vorschläge unserseits wird nicht eingegangen, wie ein möglicher Nebenraum zum ruhigen Lernen und Konzentrieren oder mal mit weniger Druck und mehr Ruhe und Gelassenheit.
Er fühlt sich mehr und mehr als Außenseiter und auch wenn er es nicht deutlich sagt, aber er würde zu gern gar nicht mehr in die Schule gehen.
Wir als Eltern versuchen unser Bestes ihm zu Hause einen ruhigen und sicheren Ort zu geben. Das merken wir dann daran, dass er zu Hause sehr gut lernen kann und er ruhig und gelassen ist.
Liebe Grüße
Sabrina