Hochsensibilität

Hochsensibilität, Hochsensitivität – was bedeutet das?

Löwenzahnsamen verteilen sich in der Luft

Als hochsensible oder hochsensitive Menschen bezeichnet man Menschen, deren sensorische Wahrnehmungsfähigkeit und Reizverarbeitung feiner reagiert als beim Bevölkerungsdurchschnitt.

Die Sinne hochsensibler Menschen reagieren früher und stärker auf Reize als bei anderen Menschen. Dies kann vom Betroffenen als Gabe oder als Belastung empfunden werden. Wer unter seiner starken Empfindsamkeit leidet, tut gut daran, sich mit diesem Thema näher zu befassen. Durch einen bewussten Umgang wird aus einem Manko ein Plus.

Hochsensibel oder hochsensitiv – was ist der Unterschied?

Im Deutschen werden die beiden Begriffe nicht einheitlich verwendet. Manche bevorzugen den Begriff hochsensitiv, weil im Begriff sensibel immer das negativ besetzte „Sensibelchen“ mitschwingt. Im Englischen wird gar nicht unterschieden, man spricht von Highly Sensitive Person, kurz HSP.

Da heute jedoch immer mehr Sinneswahrnehmungen ins Blickfeld rücken, die über die 5 Körpersinne hinausgehen, möchte ich mich folgender Unterscheidung anschließen:

Hochsensibilität

Die Hochsensibilität bezieht sich auf die 5 Körpersinne. Menschen, die hier besonders empfänglich sind, hören, sehen, riechen, fühlen oder schmecken mehr als andere. Möglicherweise ist nur ein Sinn besonders sensibel entwickelt, das Gehör beispielsweise, u. U. aber auch mehrere Sinne.

Hochsensitivität

Hinter dieser Wahrnehmungsart verbirgt sich eine hohe Feinspürigkeit in Bezug auf Stimmungen, Atmosphäre, spirituelle Wahrnehmungen – früher hätte man diese Wahrnehmung als „übersinnlich“ bezeichnet. Menschen mit einer hochsensitiven Wahrnehmung spüren beispielsweise beim Betreten eines Raumes sofort, wer in welcher Stimmung ist, ob es Spannungen gibt oder die Athmosphäre harmonisch ist. Für Menschen mit dieser Begabung kann es schwierig sein, zu unterscheiden, ob ein Gefühl ihr eigenes ist oder sie die Befindlichkeit einer anderen Person aufgenommen haben.

 

Gabe oder Fluch?

„Hohe Sensibilität bedeutet zunächst nur, dass ein Mensch mehr Reize aufnimmt als andere und das intensiver. Es sagt nichts darüber aus, ob jemand stark oder schwach ist, introvertiert oder extrovertiert, über welche anderen Begabungen er sonst noch verfügt oder wie intelligent ein Mensch ist. (…) Darüber hinaus bleibt offen, wie ein Mensch mit seiner hohen Sensibilität umgeht, ob er sie konstruktiv zu nutzen versteht oder ob er unter ihr leidet.“

„Hohe Sensibilität ist eine Begabung. Wer sensibler wahrnimmt als andere, der kann potenziell auch mehr Freude, Lebensglück und inneren Reichtum erfahren. Darüber hinaus kann sich hohe Sensibilität auch förderlich auswirken auf den äußeren Erfolg eines Menschen. Eine Abteilungsleiterin, die genau wahrnimmt, in welchem Maße sie welchen Mitarbeiter belasten kann, der Verkäufer, der genau spürt, was der Kunde wünscht, der Ingenieur, der ahnt, in welche Richtung eine technische Entwicklung sich bewegt, der Techniker, der ein besonderes Händchen hat beim Aufspüren von Störungsursachen, die Galeristin, die das Enwicklungspotenzial von Künstlern wahrnimmt, der hochsensible Leistungssportler, der genau weiß, wie weit er sich belasten darf, die Mutter, die genau einschätzen kann, in welchem Maße sie ihrem Kind helfen darf und ab wann ihre Hilfe das Kind schwächen und unselbständig halten würde.

Doch auch solche Hochsensiblen gibt es: diejenigen die ihre eigenen Bedürfnisse übersehen weil sie die der anderen so überdeutlich spüren, die nicht für sich sorgen und deshalb immer zu kurz kommen und dann unzufrieden sind, die, die allen Konflikten ausweichen und nicht in der Lage sind, ihre eigene Position rechtzeitig zu erkennen und zu vertreten, und die dann doch nur im Streit mit anderen leben. Solche, die an ihrem eigenen Anspruch an ihre Arbeit scheitern, weil sie nicht nur das Geforderte leisten wollen, sondern sich weit mehr abverlangen, die sich die Probleme anderer auflasten und gar nicht mehr dazu kommen, ihre eigenen wahrzunehmen, die immer nur das Störende bemerken und an all den vielen anderen Möglichkeiten des Lebens vorbeigehen.“

Was ist anders bei hochsensiblen Menschen?

Die Fähigkeit sehr feinspürig zu sein, kann zu bestimmten Themen führen, mit denen Hochsensible sich stärker befassen (müssen). Viele HSP interessieren sich verstärkt für psychologische Themen, weil sie das Bedürfnis haben, hinter die Vorgänge zu schauen um sich und die Welt zu verstehen.

Aufgrund ihrer feinen Wahrnehmung lernen Hochsensible Menschen mitunter sehr früh sich anzupassen. Kommentare wie „was bist du empfindlich“, „du musst dir ein dickeres Fell zulegen“, „was du schon wieder hast“ vermitteln einer HSP früh, dass sie mit ihrer Andersartigkeit nicht ankommen. Mit feinem Gespür für das, was gewünscht oder „angesagt“ ist, kann sich ein solcher Mensch ein Verhalten antrainieren, welches ihm nicht mehr entspricht. Viele Hochsensible haben gelernt sich anzupassen und ihr Wesen zu verleugnen. Darunter leidet die Wahrnehmung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Die Empfindungen/Wünsche/Erwartungen des Gegenüber werden u. U. deutlicher wahrgenommen als die eigenen. Ein solcher Mensch ist sich selbst entfremdet.

Hochsensible Menschen sind meistens sehr willkommen, wenn ihre Einfühlsamkeit und Hilfsbereitschaft anderen nützt. Da sie jedoch auch schnell überreizt und dadurch überfordert sind, ecken sie häufig an und werden mit Unverständnis bedacht, was sie als ungerecht erleben.

„Die meisten Hochsensiblen sind von dem tiefen Wunsch beseelt, die Welt menschlicher zu gestalten, und sie sind bereit, das Ihre dafür zu bewirken. Und genau darin kann ihr Beitrag für die Gesellschaft liegen. Denn sie sind es, die es als Erste merken, wenn etwas ungerecht oder nicht stimmig ist. Sie erkennen als Erste, was fehlt. Und oft sind sie die Vorreiter, die zuerst die Auswirkungen zu spüren bekommen, wenn die Menschlichkeit zu kurz kommt.“

(Quelle: Alle Zitate stammen aus dem Buch „Wenn die Haut zu dünn ist“ von Rolf Sellin)