Hochbegabung

Hochbegabung bei Erwachsenen: Häufig nicht erkannt

Mädchen mit Fragezeichen-Postit auf der StirnAls ich in meinem Umfeld bekannt gab, dass ein Schwerpunkt meiner Arbeit sich an Hochbegabte richten solle, war die immer gleiche Reaktion: Ach, du willst mit Kindern arbeiten!

Das Bild vom tüftelnden Genie, das mit 8 Jahren bereits komplexe mathematischeAufgaben löst, den Staubsauger repariert und mit 14 seine eigene Computerfirma gründet, scheint fest mit dem Begriff Hochbegabung verbunden zu sein.

Abgesehen davon, dass dieses Bild dem Thema in keiner Weise gerecht wird, muss man sich fragen: Warum spielen die Erwachsenen in dem Zusammenhang keine Rolle? Ein Erwachsener hat – so die Meinung – seinen Weg schon irgendwie gefunden. Die Schule hat er hinter sich gebracht – wie gut oder schlecht auch immer – dann ist das Thema vom Tisch.

Irrtum!

Hochbegabte Erwachsene leiden unter dem Anderssein, besonders, wenn sie sich selbst noch nicht als hochbegabt erkannt haben.

Sie weisen bestimmte Denkstrukturen auf, die sie im Kontakt mit Nicht-Hochbegabten immer wieder merken lassen: Ich bin anders/ komisch/ empfindlich/ langsam/ dumm/ eigenbrötlerisch, irgendwas stimmt nicht mit mir. Hochbegabte haben häufig das Gefühl, Hochstapler zu sein. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis ans Licht käme, dass sie in Wirklichkeit nichts können.

Viele hochbegabte Erwachsene suchen früher oder später eine Therapie auf, weil sie getrieben sind von dem Bedürfnis mit sich ins Reine zu kommen, zu verstehen, was sie so anders macht.

Wenn solch ein Mensch seine Hochbegabung entdeckt und benennen kann, gleicht das häufig einem Coming out. Wenn ein Erwachsener erkennt, dass er nicht krank und therapiebedürftig, sondern aufgrund von Hochbegabung anders ist, kann das zunächst ein Schock sein. Ein Schock, der aber zur Annahme seiner Besonderheiten und damit zum inneren Frieden führen kann. Endlich versteht dieser Mensch, was es mit seinen Besonderheiten auf sich hat. Das, was für Schwäche gehalten wurde, kann sich in Stärke verwandeln. Endlich kann dieser Mensch sein volles Potenzial leben!

Der zweite Irrtum ist die Meinung, dass ein hochbegabter Mensch einen testbaren IQ von mindestens 130 haben müsse.

Zum Sinn von Intelligenztests finden Sie unten mehr. Hier nur kurz: Die meisten Intelligenzarten (Gardner definiert 9 verschiedene) lassen sich nicht durch Tests nachweisen. Ein Mensch, der über ein außerordentliche Kompetenz in der Selbstreflektion oder der Fremdwahrnehmung verfügt, würde vielleicht nicht auf die Idee kommen, das als Hochbegabung zu bezeichnen. Forscht man aber ein bisschen im Leben dieses Menschen, tauchen plötzlich Themen auf, die ins Bild passen: Extrem angepasst und schüchtern als Kind, sehr introvertiert, traute sich nichts zu und versuchte, es allen Recht zu machen.

Wie sollte man bei dem herrschenden Bild der Hochbegabung auf die Idee kommen, bei diesem Menschen eine Hochbegabung zu vermuten? Falls das Thema neu für Sie ist, erhalten Sie auf meinen Seiten vielleicht eine erste Vorstellung davon, wie vielschichtig das Thema Hochbegabung ist und wie wichtig, es aus der Vorurteilsecke zu holen. Wenn Sie bei dieser Einführung in sich ein inneres Nicken gespürt haben, könnte es vielleicht spannend für Sie sein, sich näher mit dem Thema Hochbegabung zu befassen.