Durchs Raster fallen. Einen anderen Weg suchen.

Rote Kugel rollt aus einer Reihe silberner Kugeln heraus

Durchs Raster fallen. Einen anderen Weg suchen.

Wie wäre es, wenn du mehrere Sprachen sprechen und mehrere Instrumente spielen könntest? Wenn du so intelligent wärest, dass du deinem Matheprofessor neue Lösungswege beibringen kannst. Wenn du in Sekundenschnelle erkennen würdest, was ein Mensch gerade fühlt und denkt. Wenn du ein tieferes Verständnis von deinem Sein in dieser Welt hättest sowie Erinnerungen an die Zeit vor deiner Geburt?

Diese Begabungsbeschreibung – die auf einen tatsächlich existierenden Menschen zurückgeht – liest sich möglicherweise erst einmal recht attraktiv. Wer möchte nicht mehrere Sprachen und Instrumente beherrschen! In der Realität jedoch bringen überdurchschnittliche Talente häufig erst einmal große Schwierigkeiten mit sich. Schwierigkeiten, unter denen viele überdurchschnittlich begabte oder sensible Menschen leiden: Sie fallen durch das Raster. Sie entsprechen nicht der Norm.

Die junge Frau, auf die sich diese Beschreibung bezieht, hatte in der Schule so schlechte Noten, dass sie das Abitur nicht geschafft hätte, wenn sie nicht nach der 12. Klasse noch die Schule gewechselt hätte. Ihr Mathelehrer sagte ihr mehrfach, dass sie von Mathe eben keine Ahnung habe.

Ähnlich schwer tut sie sich in der Berufswahl und im Studium. Überall merkt sie, dass ihre Art zu denken nicht verstanden wird, dass etwas anderes gewollt wird –nämlich weniger.

So geht es vielen, den intellektuell Hochbegabten ebenso wie den Hochsensiblen. Sie fallen durchs Raster, solange sie sich an der Norm orientieren. Ihre Leistungsfähigkeit im Denken und Fühlen ist im normieren Lebensentwurf nicht vorgesehen, nicht bei Eltern, Lehrern, Freunden oder Arbeitgebern. Wer mit diesem Anderssein unbewusst umgeht, wird vielleicht versuchen, die eigene Empfindungs- oder Leistungsfähigkeit zu reduzieren: Weniger fühlen, weniger denken, weniger in die Tiefe gehen, weniger Zusammenhänge wahrnehmen. Das ist die Forderung, mit der sich diese Menschen konfrontiert sehen oder die sie unreflektiert an sich selbst stellen.

Meine Antwort darauf: Lass es! Versuche nicht, dich passend für deine Umgebung zu machen, sondern suche dir die Umstände, die zu deinem Naturell passen. Suche dir die Arbeitsbedingungen, die dich in deiner Leistungsfähigkeit fordern, wo dein Verstand sich auspowern kann, wo du deine Wahrnehmung und deine Empfindsamkeit mit einbringen kannst. Wo das Beste von dir gewünscht ist und erblühen darf. Such dir die Freunde, die dich aushalten können mit deiner Tiefgründigkeit. Dort bist du richtig!

Die junge Frau erlebte den Tag, an dem sie und ihre Intelligenz zum ersten Male bis an die Grenzen gefordert waren (der Tag, an dem sie getestet wurde), als den glücklichsten ihres Lebens. Hier erlebte sie erstmals Aufgaben, die sie wirklich bis an die Grenze forderten. Es macht glücklich, wenn man sich in seiner vollen Leistungsfähigkeit spürt. Eine hochbegabte Frau sagte einmal: „Ich habe das Gefühl, mein Gehirn ist wie ein Muskel, den ich nach Belieben dehnen und strecken kann. Es scheint da kein Ende zu geben.“

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