Das wichtigste Tool: Dein Mindset
Kennst du das: Du fühlst dich vor lauter Problemen und Nöten wie in einem Tunnel? Du verstehst nicht, warum deine Mitmenschen sich so verhalten, wie sie es tun? Du hast das Gefühl, alles arbeitet gerade gegen dich? Und du siehst keinen Weg, wie du die Situation lösen sollst?
Gestern habe ich etwas sehr Erhellendes erlebt, das ich mit euch teilen möchte:
Ein Frau meldete sich wegen einer akuten schwierigen Situation auf ihrer Arbeitsstelle bei mir. Ihre erste Schilderung beschrieb massive Konflikte, die fast schon in Richtung Mobbing gingen. Sie war so belastet, dass sie nicht sicher war, ob sie auf Dauer in dieser Stelle würde arbeiten können.
Wir führten ein Telefonat von knapp zwei Stunden. Nach diesem Gespräch war plötzlich alles anders. Das Problem war keines mehr. Ihre Stimmung war gelöst und heiter. Sie freute sich wieder auf die Arbeit und das, was an Herausforderungen dort auf sie wartete.
Was war passiert? Was hatte sich geändert?
Das Einzige, auf das wir Einfluss genommen haben, war ihr Blick auf die Situation, ihr Mindset. An den äußeren Fakten hatte sich durch dieses Telefonat NICHTS geändert. Doch ihre Sicht auf die Situation haben wir im Gespräch von „Katastrophe“ auf „Begreifen“ drehen können. Sie konnte plötzlich sich selbst, ihre Fähigkeiten, die Nöte der Mitwirkenden und alle daraus resultierenden Handlungen ganz neu sehen. Sie verstand, wie es zu der Dynamik zwischen allen Beteiligten gekommen war und welchen Einfluss sie darauf nehmen konnte.
Dadurch wurde sie vom Opfer zur Gestalterin. Sie erkannte ihre Einflussmöglichkeiten, wo sie vorher nur sehen konnte, dass die anderen ihr etwas antaten. Ihr wurde bewusst, dass sie innerhalb des kollegialen Systems eine ganz andere Rolle innehatte, als gedacht. Diese Erkenntnisse änderten alles.
Solch ein Begreifen, ist mehr als kognitives Verstehen. Es ist gefühlte Erkenntnis. Es ist das ganzkörperliche Realisieren (Verstehen UND Fühlen), dass die Wahrheit anders aussieht.
Die neue Sicht auf die Situation holte sie aus dem Opferstatus und katapultierte sie in einen Modus von bewusster Klarheit. Mit dieser neuen Sicht war ein ganz anderes Selbstbewusstsein verbunden. Sie empfand Mitgefühl und Verständnis für die Not der Menschen, die sie vorher für „Täter“ gehalten hatte. Und sie freute sich auf die Aufgaben, die auf sie warten, weil sie spürt, dass sie die perfekte Besetzung dafür ist.
Die Opfer-Falle schwächt dich
Vor allem introvertierte Hochsensible haben manchmal die Neigung, sich als Opfer zu fühlen. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, schwach, hilflos. Meistens geht es dabei um Zwischenmenschliches. Doch gerade im Zwischenmenschlichen haben wir (eigentlich) unsere Kernkompetenz. Hier wissen wir, wie es besser laufen könnte. Warum kommt es dennoch so oft zu diesen Schwierigkeiten? Aus meiner Sicht gibt es dafür zwei Hauptgründe:
Du fühlst dich kleiner und schwächer, als du nach außen wirkst.
Vielleicht bist du innerlich in manchen Situationen immer noch das 6-jährige Kind, das vom Vater/der Mutter/der Lehrerin ausgeschimpft wird. Von außen bist du aber ein 90-Kilo Mann mit Bart und tiefer Stimme oder eine intelligente Frau, die souverän auftritt sich gewählt ausdrückt. Aus dieser Diskrepanz zwischen innerem Erleben und äußerem Wirken entstehen viele Nöte und Missverständnisse.
Du nutzt deine Einflussmöglichkeiten nicht.
Wer in zwischenmenschlichen Beziehungen hauptsächlich re-agiert, dem ist manchmal nicht klar, dass er oder sie immer auch Akteur ist. Du gestaltest deine Beziehungen IMMER zu 50 Prozent mit, auch wenn du nur re-agierst und scheinbar keine eigenen Impulse setzt. Durch dieses Verhalten erlaubst du anderen, sich sehr viel Raum zu nehmen und die Beziehung nach ihren Spielregeln zu führen. Das passiert nur dann, wenn du deine eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen nicht einbringst.
Genau hier liegt deine Gestaltungskraft.
Wir hochsensiblen Menschen haben meist sehr klare Wünsche an unsere Beziehungen. Wir tragen so etwas wie eine „Blaupause für die perfekte Beziehung“ in uns, an der wir alles messen, was im Zwischenmenschlichen passiert. Nur übersehen wir, dass andere Menschen mitunter ganz andere Maßstäbe haben als wir. Wir dürfen viel mehr erkennen, dass das, was wir als Beziehungsideal in uns tragen, so etwas wie eine Vision ist.
Die gelebte zwischenmenschliche Realität ist anders. Deshalb ist aber die Vision nicht falsch. Lass sie dir als Orientierung dienen, aber erkenne, dass bis dorthin noch ein Weg zu gehen ist. Im Umgang miteinander stehen wir Menschen noch ganz am Anfang. Da ist noch viel Luft nach oben.
Mein Wunsch ist, dass hochsensible Menschen sich mit ihren Bedürfnissen viel mehr einbringen, Diskussionen anzetteln, Wünsche äußern, Grenzen setzen und zwischenmenschliches Miteinander aktiv gestalten. Ich bin mir sicher, dass wir dann einer friedlicheren Welt ein gutes Stück näher kommen.
Der Tunnel ist nie die Wahrheit
Vielleicht erinnerst du dich an dieses Beispiel, wenn du das nächste Mal im Tunnel steckst und meinst, es gäbe keine Lösung. Wenn wir in unserem Problemmodus stecken, wird der Blick eng. Und dieser eng gestellte Blick ist nicht offen für Lösungen und andere Sichtweisen. Wenn wir in diesem Problembewusstsein stecken, drehen wir uns gedanklich im Kreis. Häufig kommen wir da alleine nicht heraus.
Aber eines ist sicher: Wenn du wirklich aussteigen willst, aus dem Problem-Gedanken-Kreisel, wirst du einen Weg finden. Der wichtigste Schritt ist immer die Entscheidung.
Der problembelastete Zustand kann sich sehr fies anfühlen. Er bildet etwas ab, was in dir ist. Aber es ist niemals DIE WAHRHEIT.
Herzensgruß,
Barbara
Bild: pixabay, Tama66
Lucia
Liebe Barbara, vielen, vielen Dank für diesen Mal wieder sehr bereichernde Artikel von dir! Deine Worte geben mir Kraft und ermutigen mich, meine 50% in Beziehungen noch mal mehr zu nutzen. Zu begreifen, dass ich Schöpferin und Gestalterin bin und nicht meinem Gegenüber und seinen Handlungen etc. ausgeliefert und abhängig davon. Danke! Mal wieder ein Stück mehr Klarheit und noch Mal greifbarer für mich jetzt! Ich drück dich!