Corona: Vom Umgang mit der Unsicherheit

Blick durch ein Fenster auf Meer und Sonnenhimmel

Corona: Vom Umgang mit der Unsicherheit

Es sind unübersichtliche Zeiten gerade. Ein kleines Virus legt innerhalb kürzester Zeit unser gewohntes Leben lahm und erreicht Veränderungen, die seit langem fällig, nötig und bisher über Einsicht nicht zu erreichen waren. Mich stimmt vieles von dem, was gerade passiert, zuversichtlich. Ich fühle, wie die Natur aufatmet und sich regeneriert. Delfine vor Italiens Küste, klarer Himmel über Industriestädten – wie wunderschön ist das!

 

Was kann ich glauben?

Und natürlich gibt es eine subjektive Betroffenheit. Einer der Punkte, die mich extrem beschäftigen ist die Frage, welchen Informationen ich glauben kann und welchen nicht. Ich habe namhafte, anerkannte, erfahrene Mediziner mit völlig gegensätzlichen Haltungen gehört, die sich aber alle gleichermaßen überzeugend anhören.

Und ich komme zu dem Ergebnis: Es ist derzeit unmöglich, so etwas wie die „Wahrheit“ zu erkennen. Ich glaube, mit dieser Erkenntnis müssen wir alle momentan leben. Wir wissen einfach nicht, welche Verhaltensweisen richtig sind und welche nicht.

Ich glaube, dass die Menschen, die behaupten es zu wissen, über die manchmal beneidenswerte Gabe verfügen, selektiv wahrzunehmen, also die Informationsfülle auf ein kleineres Maß zu reduzieren. Als HSP gehöre ich nicht dazu.

Für viele von uns liegt eine Versuchung darin, die komplexe Gesamtlage zu vereinfachen, weil es schwer auszuhalten ist, nicht zu wissen, wie groß die Gefahr wirklich ist, welches Verhalten angemessen ist und was morgen sein wird. Das verunsichert, macht Angst.

 

Das Nichtwissen aushalten

Ich möchte dich einladen, dich genau dieser Unsicherheit zu stellen. Kannst du das Nichtwissen aushalten? Kannst du deine Angst oder Sorge aushalten, ohne sie für die Wahrheit zu halten?

Was ist, wenn du deine Befürchtungen einfach als Gefühle annimmst, ohne zu glauben, dass sie sich bewahrheiten werden? Vielleicht wirst du die ganze Zeit einen vollen Kühlschrank haben, gesund bleiben und nicht aus der Wohnung geworfen werden, weil du durch wegbrechende Einnahmen gerade die Miete nicht bezahlen kannst.

Ich glaube, dass es derzeit darum geht, dass wir uns all diesen Gefühlen zuwenden und sie als das annehmen, was sie sind: Gefühle. Sie müssen keine Realität werden.

Uns scheint eine Bedrohung umso wahrscheinlicher, je stärker ein Gefühl sich zu Wort meldet. Und momentan ist es leicht, starke Gefühle zu haben. Was, wenn es darum geht, dieses Gefühl anzunehmen? Es liebevoll in den Arm zu nehmen und zu sagen: Ich sehe dich.

 

Jetzt

Und gleichzeitig kannst du wahrnehmen, was jetzt gerade ist: Jetzt. Hier. Wie fühlt sich dein Körper in diesem Moment? Hast du jetzt gerade genug zu Essen? Hast du ein Dach über dem Kopf? Wie geht es dir jetzt gerade ohne deine Gedanken?

 

Die emotionalen Schatten sind Teil deiner Geschichte.

Unsere emotionale Schattenwelt wird gerade so richtig auf den Plan gerufen. All das, was wir so sorgsam unter dem Deckel zu halten versuchen, Gefühle von Angst, existenzieller Bedrohung, Hilflosigkeit, Überforderung, Einsamkeit, Verlorensein usw. drängt an die Oberfläche und möchte angeschaut werden.

Es liegt an jedem Einzelnen, dies zu tun. Denn über eines bin ich mir absolut sicher:

Dieses kleine Virus möchte unsere Gesellschaft verändern – und zwar zum Guten.

Wir erleichtern und beschleunigen den Entwicklungsprozess, wenn wir uns unserer persönlichen Entwicklung stellen. Dazu gehört das Wahrnehmen all dessen, was gerade passiert.

 

Fühlen und Handeln voneinander trennen

Wenn wir Gefühle wahrnehmen, die etwas Bedrohliches haben, löst das häufig einen Handlungsreflex aus. Es entsteht das drängende Bedürfnis aktiv zu werden, etwas zu tun. Ich bitte dich, diesen Impuls sehr wach und kritisch wahrzunehmen. Denn es gibt reflexhafte Impulse, die lediglich dazu dienen, das Gefühl abzuwehren, die aber langfristig keine positiven Auswirkungen haben. Das ist ungezielter Aktionismus. Er beruhigt uns, weil er uns das Gefühl gibt, etwas getan zu haben. Doch haben solche Handlungen langfristig meist eher negative Auswirkungen. Das Kaufverhalten vieler Menschen ist derzeit davon geprägt. Ebenso das wildwütige Kommentieren in den sozialen Netzwerken.

Es gibt aber auch ein sehr sinnvolles Handeln, wo Menschen sich Gedanken machen, an welcher Stelle sie bestmöglich helfen können. Überall entstehen Nachbarschaftsangebote, Online-Gruppen, Zoomcalls, die die Menschen in dieser Zeit abholen und unterstützen wollen. Das ist zutiefst sinnvoll. Es ist ein geplantes, überlegtes Handeln, das dem höheren Wert der Mitmenschlichkeit folgt.

 

Verantwortung

Was wir gerade ebenfalls lernen dürfen, ist Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur für uns selbst (unsere Gefühle und unser Handeln), sondern auch für das Kollektiv.

Wir stehen momentan ständig vor Entscheidungen, ob wir privaten Interessen folgen oder auf soziale Kontakte verzichten sollen. Udo und ich standen ebenfalls vor dieser Entscheidung in Bezug auf unser Seminarwochenende. Wir alle hatten eine große Sehnsucht nach Nähe, Austausch und emotionaler Unterstützung, die wir uns so sehr hätten geben können. Und gleichzeitig gibt es diesen Zweifel, ob das in Ordnung ist oder ob wir zu leichtsinnig sind.

Udo und ich haben selber keine große Angst vor einer Ansteckung. Wenn es nach unserer persönlichen Haltung gegangen wäre, hätten wir das Seminar durchgeführt. Trotzdem haben wir uns entschieden, es nicht stattfinden zu lassen. Und ich glaube, dass das richtig ist.

Denn: Für den Fall, dass das Virus wirklich so gefährlich ist, wie einige Experten es sagen, müssen wir JETZT konsequent alle Übertragungsketten unterbrechen. Nicht vielleicht, nicht übermorgen, sondern sofort. Und zwar konsequent und kollektiv. Je besser das gelingt, desto eher ist der Spuk vorbei.

Es ist ein bisschen so wie mit dem Klimawandel: Leugnen hilft bei der Bekämpfung nicht, sondern nur konsequentes Handeln und das Verändern des gewohnten Verhaltens.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Aussagen über die Gefährdung stimmen, dann würden wir allen, die in Krankenhäusen und Arztpraxen für die Gesundheit kämpfen, in den Rücken fallen, wenn wir uns dem kollektiven Prozess, der nötig ist, um die Übertragung zu stoppen, widersetzen.

Vielleicht stellen wir irgendwann fest, dass die Maßnahmen übertrieben waren, aber zum jetzigen Zeitpunkt, wissen wir es einfach nicht und da empfinde ich es als einen Akt der Verantwortung und Solidarität, sich achtsam zu verhalten.

 

Aus dem Grund sage ich zum heutigen Stand alle Gruppen bis Ostern ab.

Gleichzeitig möchte ich aber für dich da sein, wenn du Unterstützung brauchst. Deshalb frage ich dich:

Was brauchst du in diesen Zeiten?

Was würde dich stärken und dich unterstützen?

 

Schreib deine Ideen gerne als Kommentar unter diesen Text oder teile sie auf Facebook mit uns.

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Hab einen klaren Geist und ein offenes Herz.

Herzlichst

Barbara

 

 

Foto: Bettina Grebe

3 Kommentare
  • Sabine Dickscheid
    Antworten

    DANKE für diesen wunderbaren, umsichtigen, auf das Gute ausgerichteten, Mut machenden Text! Ich teile den Link dazu gerne und hoffe, das viele Menschen sich diesen Text zu Herzen nehmen!

    18. März 2020at20:26
  • Mareike
    Antworten

    Liebe Barbara, danke für diesen ermutigenden, einfühlsamen und gleichzeitig klaren Text! Ich finde ich es sehr hilfreich, dass du den Umgang mit den eigenen Gefühlen ansprichst und gleichzeitig die Verantwortung, die jeder von uns hat.
    Ganz liebe Grüsse

    19. März 2020at23:20

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